Dienstag, 19. November 2019, 20.00 Uhr


Theater Ticino, Wädenswil 


Bericht über die Veranstaltung

Mehr als ein Lieblingsbuch

Nun, das mit dem Lieblingsbuch ist so eine Sache. Kinder können wie aus der Pistole geschossen sagen, welches Buch ihnen am besten gefällt. Wird man älter, so findet man das eine Buch gut, das andere nicht schlecht. Doch wird man der Literatur überhaupt gerecht, wenn man zu klassifizieren beginnt?

 

Wie auch immer, wir taten es am 19. November – oder jedenfalls unsere Gäste auf dem literarischen Podium im Theater Ticino. Daran teil nahmen Gerhard Pfister, CVP-Parteipräsident, Nationalrat, aber an diesem Abend vor allem Germanist, Matthias Ackeret, Jurist, Journalist und Verleger, sowie Reto Kohler, Molekularbiologe und heute Tessiner Korrespondent des Schweizer Fernsehens, an den sich das aufmerksame Publikum bestimmt erinnert, sass er doch schon zweimal in unserer Reihe «Ein Buch, vier Meinungen» auf unserer Lesegesellschafts-Bühne. Sie alle beschäftigen sich aus irgendeinem Grund bereits ein Leben lang mit einem Buch: Da war Pfisters Dissertation über Nobelpreisträger Peter Handke und dessen Erzählung «Langsame Heimkehr» aus dem Jahre 1979. Ein Text, dessen Zugang bestimmt nicht auf den ersten Seiten zu finden ist. Das gaben auch Ackeret und Kohler zu, fanden sie beide doch, dass die handlungsarmen Beschreibungen und langen Sätze vom Leser viel Durchhaltevermögen abverlangen. Mit «Ein fliehendes Pferd» betrat eine zweiter ganz Grosser die Bühne, jedenfalls in Buchformat. Matthias Ackeret verbindet mit Martin Walser nicht nur einen Text, der ihn zuerst als Jugendlicher und dann als Erwachsener geprägt hat. Es war der Beginn einer tiefen Freundschaft zwischen ihm und dem Schriftsteller. Ackeret erzählte mit viel Witz und Charme die Geschichte, wie aus einer Weltreise, die zwei Freunde in jugendlichem Übermut unternahmen, ein Buch wurde, das mehr an Walser knüpft als vielleicht der eine oder andere Text von Walser selbst. Reto Kohler hatte sich für einen weniger bekannten Autor entschieden, nämlich für den vor ein paar Jahren erst verstorbenen Herbert Rosendorfer und dessen fantastischen Roman «Grosses Solo für Anton» aus dem Jahre 1976. Für Pfister «Ein Buch wie ein schwarzes Loch», für Kohler jedoch eines der besten Bücher überhaupt, habe er doch das Werk jahrelang nie zu Ende gelesen, weil er es so gut fand. Top oder flop? Wir fanden top. Auf der ganzen Linie. 

 

Viele Leserinnen und Leser haben ein Lieblingsbuch. So ist «Hauspostille» von Berthold Brecht der persönliche Favorit des Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki. Haben auch Sie ein Buch, das Sie mehr als alle anderen, die Sie gelesen haben, angesprochen hat? Diese Frage stand im Zentrum des Anlasses.

 

Gerhard Pfister ist Germanist, Nationalrat und Parteipräsident der CVP. Er hat eine Dissertation zu Peter Handke geschrieben. Sein Wohnort ist Zug.

Matthias Ackeret ist Jurist, Journalist und Verleger des Branchenmagazins persoenlich.com. Das duale Rundfunksystem war Thema seiner Dissertation. Matthias Ackeret wohnt in Zürich. 

Reto Kohler ist Molekularbiologe und Journalist beim SRF. Seine Dissertation schrieb er zur Embryonalentwicklung des Fadenwurms. Er lebt im Tessin.

 

Ein Anlass in Zusammenarbeit mit dem Theater Ticino und dem Kafisatz Wädenswil